#2 Mikes und Anns Tod

Etwa zur gleichen Zeit geschah rund 390 Millionen Kilometer etwas, was Vasco für immer zeichnen sollte.

Juli 2950 – Huston – Lorville

Vascos Vater, Mike Piccard, kam gerade nach Hause, nachdem er seine Frau Ann auf ihrer Arbeit mit einem Abendessen überrascht hatte.

Seit diesem Raumschiffsabsturz vor einigen Tagen hatte Ann zu viel zu tun. Er machte sich sorgen, weil sie seither immer ängstlicher und panischer wurde. Fast schon hysterisch. Angeblich sei eine Cutlass Black mit Waren für einen Aid Shelter, ungebremst in einer ihrer Landepads abgestürzt.

Gutachtern zufolge haben die Systeme versagt, was bei Schiffen von Drake leider nicht ganz selten vorkommt.

 

„Gut, dass ich bei Origin arbeite, unsere Schiffe stürzen wenigstens nicht so schnell ab“, dachte Mike schelmisch bei sich. Irritierend ist jedoch, dass Ann ihm nichts anderes erzählen darf, außer das Gerede, was man an jeder Ecke Lorvilles aufgreifen kann. Jedenfalls musste Ann, seither Massen an Überstunden machen. „Sie hängt sich viel zu sehr in ihre Arbeit. Sogar das Essen würde sie vergessen, hätte ich sie vorhin nicht besucht, um mit ihr zusammen etwas zu essen“, sprach Mike zu sich, während er das Licht im Flur anmacht. Als hätte das WaTI keine andere Laborantin, die die Wasserproben nehmen und analysieren könnte, dachte Mike genervt. Doch auch wenn Ann nichts sagen durfte, wusste Mike, dass seine Frau etwas ungewöhnliches gefunden haben musste. Sonst würde sie sich nicht so sehr in die ganze Sache hineinsteigern. Richtig komisch wurde es aber gestern, als Ann ihn aufforderte, sich eine Pistole bei Tammany and Sons, dem einzigen Waffenhändler in Lorville, zu kaufen. Ihr Argument, die Elektrokapseln einer Yubarev seien nicht so tödlich wie die Kugeln normaler Waffen, würden aber einen Angreifer trotzdem ordentlich zusetzen, überzeugten ihn am Ende doch. So konnte er nichts mehr sagen und holte sich eine Yubarev `Deadeye´.

 

Um sich etwas abzulenken schlenderte Mike in seinen Bastelkeller. Sehnsüchtig dachte er an daran, wie er früher mit seinem Sohn Vasco an nützlichen Alltagshelfer tüftelte oder einfach nur nette Deko Assessors bastelte. Ann konnte ihre Erfindungen immer nur beschmunzeln. Mittlerweile war Vasco 23 und als Schiffstechniker in den Weiten des Persistent Universe unterwegs. Kaum hatte sich Mike an sein neustes Projekt, einem Blumengießer mit Dünge – Funktion, gesetzt, hörte er oben etwas scheppern. 

Wachsam, holte er seine neue Waffe aus dem Safe neben der Kellertür und schlich hinauf. Er wusste, Ann würde erst in 4 bis 5 Stunden von der Arbeit heim kehren. Langsam schlich er durchs Haus und sah jemanden in Anns Arbeitszimmer, welches sie zur Zeit aber nur selten nutzt. Es schien, als würde der Einbrecher etwas suchen. Kein Schmuck, denn das Wohnzimmer, welches er durchquert haben musste, stand voll mit wertvollen Sachen. Nein, er suchte etwas in Anns Unterlagen. Leise ging er durch das Wohnzimmer auf den Eindringling zu. Mit erhobener Waffe stellte er den Einbrecher, welcher hoch schreckte und nach seiner eigenen Waffe griff.

 

Mike zitterte vor Anspannung und plötzlich löste so ein Schuss aus seiner Waffe. Der Eindringling schrie auf und im selben Moment spürte Mike einen heftigen Schlag gegen sein Hinterkopf. Er stolperte benommen vorwärts. Ein zweiter Schlag brachte ihn zu Boden. Um ihn herum wurde es schwarz.    Sein letzter Gedanke galt seiner Frau.

 

Ann starrte unter dessen entsetzt auf ihre Messdaten. „Was ist das?“ Bereits seit einiger Zeit, seit diesem Schiffsabsturz, bekam sie kaum noch ein Auge zu. Sie prüft nun seit vielen Jahren die Trinkwasserquellen von Hurston und nie hat sie etwas so sehr beunruhigt wie diese Messungen.

Seit dem Absturz der Cutlass Black bei dem HDMS-Edmond stimmten ihre Messungen nicht mehr. Sie zeigten immer wieder erhöhte Werte von Viren, eines der Datenbank unbekannten Erregers. Scheinbar hatte die Black irgendetwas geladen, was den angrenzenden See und dessen Ökosystem völlig aus dem Ruder brachte.

Laut den offiziellen Meldungen, habe die Black jedoch keine Fracht geladen. Doch die Vieren lassen sich nicht leugnen. Was das auch war, sowohl die 3-köpfige Besatzung der Black, als auch später die 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Edmond zeigten diverse Krankheitsmerkmale, sodass der Shelter zwischenzeitlich zur Sperrzone erklärt wurde. Die Medien haben die Ursache jedoch als technischen Defekt durch die Black deklariert und die Sperrzone mit der Räumung des Wracks, sowie Reparaturarbeiten am Gebäude begründet. Bei ihrer zweiten Probenahme an der Absturzstell traf Ann einen kauzigen Meeresbiologen. Obwohl er ihr anfangs etwas suspekt war, tauschen sie sich mittlerweile immer häufiger aus. Ähnlich wie Ann, jedoch aus privaten Anlässen, besuchte Prof Kain Brown die Seen auf Hurston um Forschungen zu den diversen, wenn auch seltsamen, Meerestieren anzustellen.

 

Auch ihm war das vermehrte Sterben diverser Fische und anderer Meerestiere nicht entgangen. Wie Ann, entdeckte er einen Organismus, einen Virus, der erst kürzlich bei Edmond messbar wurde und anscheinend für das Massensterben der Tiere verantwortlich schien. Ann beschloss, dass sie sich dringend wieder mit ihrem kauzigen Freund treffen sollte, um ihre neusten Erkenntnisse mit ihm zu besprechen.

 

Während dessen saß Sam bequem auf seinem Stuhl im Security Center des Wassertechnischen Institut, kurz WaTI, im Erdgeschoss eines der vielen Institut-Gebäuden von Lorville und verfolgte gespannt den Pico-Speedball Cup 2950.

Gerade als die Seagreens den Pico fanden und in ihre Homezone bringen wollten, blinkte ein Lämpchen auf. Es war eines jener Lampen, dessen Blinken einen Wachmann wie ihn am meisten nervte. Eines der Fenster im 22. Stock meldete einen Defekt der Alarmanlage. Sam verstand das noch nie, als würde jemand im 22. Stock durch das Fenster steigen und bei einem Institut einbrechen, dass Wasserproben auf Hurston nimmt und analysiert. Wow, top Secret! Wer sollte denn hier bitte einbrechen und Messdaten stehlen, ob der Nachbar sauberes Wasser hat? Ja das WaTI ist schon wichtig. Schließlich wird hier nicht nur das Trinkwasser in weitem Umkreis von Lorville und bei den Sheltern auf Hurston sowie dessen Monden analysiert, sondern mithilfe dieser Messdaten lässt das WaTI auch Wasserfilter und Aufbereitungssysteme entwickeln. Denn sauberes Wasser ist hier im Hurston System nun einmal sehr rar. Aber mal im Ernst, wer würde denn hier einbrechen wollen? Und doch blinkt da diese Lampe die einen defekten Fenstersensor meldet. Missmutig, weil er nun den entscheidenden Wendepunkt des Spiels verpassen würde, machte sich Sam auf den Weg in die 22. Etage. Auf dem Weg zum Fahrstuhl fiel im fluchend ein, dass dieser seit gestern außer Betrieb ist und er nun die fast 300 Treppenstufen hoch laufen muss.

 

Ann hörte das Dröhnen. Es war lauter als die üblichen Schiffe, die hier in sicherem Abstand zwischen den Hochhäusern umher flogen. Zumal der Verkehr um diese Uhrzeit eh weniger wurde, weshalb sie die Ruhe genoss, um an ihrem neuen Projekt zu arbeiten. Sie freute sich noch immer, dass Mike vorhin vorbei kam um mit ihr eine Kleinigkeit auf der Dachterrasse zu essen. Sie liebten beide die Aussicht von oben zwischen den ganzen Hochhäusern. Und gleichzeitig wussten sie aber auch die Ruhe der Nacht oder abseits der Hauptstadt in ihrem Haus zu schätzen.

Hier im 22. Stock des WaTI, eigentlich weit genug entfernt von den Hauptlinien der Stadt, war es schon seltsam ein so lautes Dröhnen zu hören. Fast als würde jemand oben auf dem Dach, nur 3 Etagen über ihr, landen wollen. Aber wer sollte denn mitten in der Nacht hier landen wollen? Ann kannte jedenfalls keinen, der jetzt noch hier her fliegen würde. Zumal die meisten eh das Gebäude über den Haupteingang betreten. Einen Shuttelservice bis aufs Dach würden sich hier nur die wenigsten leisten.

 

Neugierig startete sie die Maschine zur nächsten Messung, während sie sich ihre Kaffeetasse nahm und auf dem Weg zum Automaten machte, sah sie sich aufmerksam um. Aber es war alles still, abgesehen von dem Dröhnen. Die anderen Labore waren alle leer und dunkel. Die Fenster ließen sich hier eh nicht öffnen und doch schien ein leichter Wind durch den dunklen Gang zu wehen. Ein kalter Schauer  lief ihr über den Rücken. Manchmal blitzten Scheinwerfer von Speedern oder Drohen hinter den Fenstern auf und erhellten den nur spärlich im Nachtmodus beleuchteten Flur. Was war das? Das klang als würden Insekten in einem der Labore schwirren. Ein hohes Surren war in dem Labor zu hören, vor dessen Tür Ann nun stehen blieb. Und hier spürte sie ihn, den Wind, der unter der Tür rauskam und leicht um ihre Füße strich. Dann wurde das Dröhnen lauter, als hätte jemand das Fenster geöffnet. „Doch, das war nicht möglich!“, dachte sie sich. Die Fenster über dem 10. Stock ließen sich allesamt nicht öffnen. Außerdem war das Labor dunkel, da war niemand, der das Fenster hätte öffnen können. Und doch spürte sie diesen Windzug und hörte das laute Dröhnen.

 

Da kam ihr plötzlich der rettende Gedanke! Jemand musste mit einem Schiff oben auf dem Dach gelandet sein, sich die Fassade abgeseilt und das Fenster aufgeschnitten haben, um nun in das Labor einzubrechen. Neugierig nährte sich Ann der Tür und hörte mehrere gedämpfte Stimmen. Plötzlich schoss ihr die Frage durch den Kopf: „Warum bleibst du hier stehen? Du musste weg, sofort!“ Schnell drehte sie sich um und rannte so leise wie möglich zurück in ihr Labor. Schnell schloss sie die Tür hinter sich und schaltete das Licht aus. Dank der vielen Stunden hier, kannte Ann ihr Labor in und auswendig. Wusste um jeden Tisch, jeden Schrank und selbst die kleine Unebenheit im Boden, wo ihr neulich einer der  Transportbehälter herunter gefallen war. Leise schlich sie in ihr angrenzendes Büro um mehr Raum zwischen sich und den Einbrechern zu bekommen. Dann drückte sie den Stumm-Melder zum Sicherheitsdienst. Doch sie bekam keine Antwort.

Sam war nicht mehr an seinen Platz. Ihr Puls raste.

Was wollten die Einbrecher?

Ann kannte nur ein Projekt, das zur Zeit für Trubel sorgt, nur wenige wissen davon und die, die etwas wissen, waren zur Verschwiegenheit verpflichtet. Notifikation-Edmond-Operation-Schiffswrack, kurz NEOS, war ihr Projekt.

Waren die Leute wegen ihres Projektes hier? Sind sie wohlmöglich hinter den Daten von NEOS her?

 

 

*piep* *piep* *piep*

Die Messung war fertig. Das Gerät war so freundlich, Ann mit einem 3-maligen Piep-Ton darauf aufmerksam zu machen, dass die Probe der letzten Messung gerade abgeschlossen wurde und erneut Abweichungen zum Normalwert festgestellt wurden. Ann fluchte und hörte, wie sich die Tür zu ihrem Labor öffnete. Lichter drangen vom Flur herein. Sie mussten Lampen haben, denn im Flur war noch immer nur die Nachtbeleuchtung aktiviert. Doch kurz darauf flackerte die Laborbeleuchtung auf und die Einbrecher verteilten sich im Raum. *Uuuhrg!* Einer stöhnte kurz auf und Ann erkannte, dass er sich an ihrem Hass-Tisch gestoßen haben musste. Sie selbst hatte immer noch einen blauen Fleck an eben jener Stelle, wo der Einbrecher demnächst auch einen haben wird. Ann vermutet 2 Leute zu hören. Denn der andere ermahnte seinen Kollegen gerade, still zu sein, während er die frischen Messdaten studierte.

 

„Hier sind wir richtig“, sagte er dann zu seinem Kollegen und begann das Labor zu durchsuchen. Kurze Zeit später war das Labor völlig verwüstet. Während der eine alles durchsucht hat und teilweise die Proben in einer Transportbox verstaute, hatte sich sein Kollege an Anns Tablet gesetzt, sein Notebook angeschlossen und versucht die Firewall zu durchbrechen. Glücklicher Weise ohne Erfolg, was ihn so wütend machte, dass er genervt aufstand und gegen Anns noch warme Tasse schlug. Diese flog durch den Raum und zerschmetterte an der Wand zum Büro. Ann zuckte zurück und dachte traurig an den Moment, als Mike ihr diese schöne Tasse von Origin mitgebracht hatte. Doch schon im gleichen Augenblick war ihr klar, sie war aufgeflogen. Zu allem Übel saß sie auch noch in der Falle, da ihr Büro am Ende des Ganges war. Sie hatte eines der Eckbüros mit viel Platz und einer schönen Trennung zwischen Labor und dem um die Ecke liegenden Büro. Doch hatte sie, als sie hierher zurückkehrte, nicht bedacht, dass dieses Büro auch keine Fluchtmöglichkeit bot.

 

Erschrocken hörte Ann, das verräterische knarzen des Bodens und wusste, dass die Einbrecher durch das Labor auf ihr Büro zu schlichen. Ann schaute sich panisch um, fand aber keinen Ort um sich zu verstecken. Ihr blieb nur eins, Flucht nach vorne! Die Einbrecher hatten die Tür zum Flur offen gelassen, jedenfalls hatte Ann das unverkennbare Klicken ihrer Labortür noch nicht gehört und so machte sie sich bereit. Als einer der Einbrecher ins Büro trat, stürmte Ann aus ihrem Versteck, stieß den Einbrecher gegen seinen Kollegen, welcher zu Boden ging, und rannte los.

 

Noch ehe Ann die Tür erreichte, wusste sie, dass sie nicht schnell genug war, und hörte ein surren und spürte den Schockstoß im Rücken. Das selbe Gefühl hatte der Einbrecher nur wenige Stunden zuvor, als Mike ihn mit der Yubarev in die Brust schoss. Glücklicherweise hatte er seine Rüstung an, die ihn vor schlimmeren bewahrte. Ann, nur im Laborkittel, hatte weniger Glück. Der Schuss traf sie mitten im Kreuz. Ihr stockte der Atem und ging zu Boden. Während sie merkte, wie ihr Nervensystem zusammenbrach, dachte sie sorgenvoll an ihre beiden Tüftler, die sie über alles liebte, und hoffte, dass sie in Sicherheit sind.

 

Als sich die Einbrecher Ann nährten, hörten sie jemanden schnaufend und fluchend die Treppen hochkommen. Schnell griffen sie sich ihr Notebook, Anns Tablet und die Transportbox mit den Proben und liefen in das Büro zurück, durch welches sie eingestiegen waren. Der zweite schlug die Tür gerade noch rechtzeitig hinter ihnen ins Schloss, als Sam erschöpft in der 22. Etage aus dem Treppenhaus kam. Irritiert von Anns offener Labortür vergaß er den defekten Fenstersensor. Entsetzt fand er, nachdem das dröhnen endlich leiser wurde, die Leiche von Ann Piccard, in ihrem Labor.

 

Doch diese Geschichte und somit die Wahrheit über den Tod seiner Eltern sollte Vasco Piccard erst viel später aufdecken. 

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