#3 Raue Werften

3.1. Schwerelos in der Leere

microTech Juli 2950

*Klatsch

Meine Wange brannte. Was war geschehen?

Langsam komme ich wieder zu Bewusstsein. Um mich herum herrscht Panik.

Quälend kam die Erinnerung durch: Wir waren die letzten 8 Crewmitglieder einer zerstörten Carrack und sind nun in dieser kleinen engen Pisces auf der Flucht in sichere Gefilde. Nachdem unser Mutterschiff während einer Forschungsreise, mit mehreren Wissenschaftlern und unseren Kameraden besetzt, von feindlichen Aliens, den Vanduuls, zerstört wurde, hatten wir 8 nur mit knapper Not das rettende Beiboot erreicht und konnten fliehen. Aber das hier, wo wir jetzt sind, ist definitiv keine sichere Gegend. Ich höre erneut Schüsse - wir stehen unter Beschuss. Moment mal, unsere Pisces ist doch kein Jäger und für einen Raumkampf absolut ungeeignet, schoss es mir durch den brummenden Schädel. Da fiel es mir wieder ein: Jemand hatte uns aus dem Quantumdrive gezogen und nahm uns nun ins Visier. Als Pit, unser Pilot, das kleine und wendige Schiff herumriss, fielen wir hier im hinteren Bereich alle übereinander. Dabei musste ich mir den Kopf gestoßen haben und das Bewusstsein verloren haben. Kaum realisierten ich unsere Lage, ertönte der Bordcomputer:

Schilde ausgefallen!

 

Seit Wochen zusammengepfercht in einer Blechbüchse, ohne vernünftige Nahrung und dazu unbewaffnet, waren wir hoffnungslos verloren. War der Computer schon immer so leise?

 

*KlatschWieder ein Schmerz im Gesicht. Noch immer verschwommen sah Mitch vor mir hocken, als er mir erneut eine schallende Ohrfeige geben wollte. „Na los Knecht! Aufwachen!“, brüllte er mich an. Mitch, unser Service Offizier, und somit mein Vorgesetzter, war auf der CRK-218 neben der technischen Instandhaltung auch für die Vorräte und die Med-Bay zuständig. Bei seinen fast 50 Jahren war ich „sein Kleiner“.
Er war es, der mich von Tag Eins an unter seine Fittiche nahm, mir zeigte, wo ich was finde und was ich alles zu tun habe. Ihm verdanke ich auch, dass ich Grundkurse als Sanitäter bekam. Er schätzte mein Potential und meinte immer, die Theorie könne ich vergessen, hier draußen würden andere Regeln gelten. Aber trotzdem staunte er jedes Mal, wenn ich Schiffskomponente tauschte und durch meine vorhergehenden Berechnungen noch etwas mehr Leistung aus den Komponenten holen konnte. 

Das Schiff erbebte. Ein ohrenbetäubender Knall!

Antrieb verloren! Flügel zerstört! Alles raus hier!“, brüllte Pit, setzte seinen Helm auf und bahnte sich über uns hinweg  einen Weg zur Heckluke um das Schiff zu verlassen. Alle sahen ihn verdutzt an und reagierten instinktiv, griffen zu ihren, im Schiff verteilten, Helmen und zogen sie sich über. Nur ich, noch immer angeschlagen, hatte keine Ahnung wo mein Helm war. Hastig sah ich mich um. Irgendwo hier musste er doch sein. So groß ist diese 6 Quadratmeter - Sardinendose doch nicht. Ich drehte mich zu schnell, denn mir wurde wieder schwindlig. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Pit auf den Knopf schlug und sich die Luke öffnete. Die Hydraulik quietschte, als die Luke langsam aufglitt. Es war zu spät. Ich werde sterben! Ohne Helm würde mich das Vakuum im All töten. Ich hörte das zischen der entweichenden Luft, als sich die Luke langsam, aber sicher öffnete. Meine Brust zog sich zusammen. Panik breitete sich in mir aus!


Wie gebannt sah ich die Luke an. Der Kloß in meinem Hals wurde dicker und schnürte mir den Hals zu.

Mein Herz raste und ich bekam immer schlechter Luft. Kennst Du dieses Zischen, wie wenn ein Kompressor seine Luft abbläst, nur würde mich dieses Luftablassen töten. Langsam und quälend, als mir plötzlich jemand etwas über den Kopf zog. Dunkle gedämpfte Stille umgab mich. Sofort versiegelte der Helm sich mit meinem Anzug und die Microtanks begannen mir frische Luft ins Gesicht zu pusten. Kurze Zeit später öffnete ich die Augen und atmete erleichtert tief ein. Und gleich danach ein zweites Mal. Noch nie war ich so dankbar über die kalte gereinigte Luft aus den Tanks. Eigentlich schmeckte sie furchtbar, viel zu sauber und gefiltert, mit einem erhöhten Anteil an Sauerstoff. Auch wenn sich mein Helm gerade etwas komisch anfühlt, war ich dankbar, dass ihn jemand gefunden hatte und ihn mir im letzten Augenblick überzog. Wahrscheinlich hätte ich kaum eine Minute länger überlebt. Dankbar wollte ich mich gerade nach meinem Retter umsehen, als …

Plötzlich explodierte die Luke. Durch den schlagartigen Druckverlust wurden wir alle aus dem Schiff gerissen. Hart knallten wir gegeneinander und wirbelten umher.
Einen Augenblick später schwebte ich im All. Mein Anzug stabilisierte mich automatisch und verhinderte so das tödliche Schleudertrauma, was Astronauten früher häufig in Lebensgefahr gebracht hatte, wenn sie zu schnell um ihre eigene Achse rotierten. Als ich mich gesammelt hatte blickte ich mich um. Dankbar, noch zu leben, starrte ich auf diese riesige weiß-blaue Kugel vor mir. Was für ein Blick, den man wahrscheinlich nur genießen kann, wenn man gerade halb bewusstlos, aber froh, noch zu leben, ist. Mit dem großen Planteten microTech im Hintergrund, zeichnet sich seine Orbitalstation Port Tresler gegen die schneeweiße Oberfläche, deutlich ab. Daneben ein Haufen kleiner dunkler Punkte, die von der Station aus auf uns zu kommen. Neben mir die schwebende Pisces, umschwirrt von den Schiffen der Piraten. Ich sah wie die Anderen, verfolgt von zwei Jägern der Piraten, der rettenden Raumstation entgegen schwebten. Nur ein Kamerad schien unkontrolliert durch den leeren Raum zu wirbeln. Scheinbar musste sein Anzug defekt sein, denn eigentlich verhindern die Steuerdüsen unserer Anzüge, dass wir so sehr ins Trudeln geraten können.

 

Eilig schwebte ich hinüber um zu sehen wer da Hilfe gebrauchen könnte. Noch bevor ich ihn richtig erreichen konnte erkannte ich seine Uniform. Schockiert sah ich, dass es Mitch war, der da trudelte. Gerade wollte ihm ein Zeichen der Dankbarkeit geben, denn ich war mir sicher, dass er mir den Helm aufgesetzt haben musste und mich somit vor einem qualvollen Ersticken rettete, als sich mein Magen verknotete.

Ich sollte Recht behalten, wenn auch anders, deutlich grausamer, als ich mir je hätte vorstellen wollen.

Mitch hatte mir nicht meinen Helm, sondern seinen eigenen aufgesetzt und nun trieb er ohne Helm vor mir.

Er opferte sich für mich. Scheinbar erkannte er meine Not und griff den einzigen Helm, den er auf die Schnelle bekommen konnte, seinen eigenen, und rettete mir so mein Leben. Ich spürte, wie mir die Tränen in den Augen drückten. Ich schloss die Augen und dankte ihm in stiller Andacht, alles um mich herum vergessend. Still tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass er so nun bei seiner Frau und seinen Kindern sein könne, welche er erst kurz vor Beginn unserer Reise an eine bösartige Krankheit verloren hatte. Sein grausam verzerrtes Gesicht sollte ich nie vergessen.                       Ihm verdanke ich so viel und nun auch mein Leben. 

*Krawumms!*

Ein Knall ohne gleichen. Ich habe schon oft Schiffe explodieren gehört. War dabei aber immer selber in einem schützenden Schiff. Im leeren Raum zu schweben, während hinter einem ein Schiff explodiert, ist etwas ganz anderes. Die Druckwelle schleuderte Trümmerteile umher und schließlich auch uns durch den Raum. Angst und Panik kamen in mir auf. Ich verlor Mitch aus den Augen und kurz darauf völlig die Orientierung, als mich etwas hinten am Hals traf. Der stechende Schmerz raubte mir beinahe das Bewusstsein.

War das ein Zischen, dass ich da hörte? Allein, benommen und vermutlich mit einem beschädigten Raumanzug schienen meine Überlebenschancen schwindend gering.

 

Eine beklemmende Schwärze hüllte mich ein. Meine Augen wurden schwer, so schwer. Ich bräuchte mich nur kurz ein bisschen ausruhen, etwas Kraft tanken, war mein letzter Gedanke, ehe alles schwarz wurde.

Erneut trieb ich in der Dunkelheit.  Sollte das nun zur Gewohnheit werden? 

Inhalte von Powr.io werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell und Marketing), um den Cookie-Richtlinien von Powr.io zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Powr.io-Datenschutzerklärung.